Warum erscheint das Lösen gesellschaftlicher Probleme heute schwieriger, obwohl wir mehr Ressourcen und Technologien zur Verfügung haben als je zuvor?
Die Antwort liegt weder in unseren Systemen noch in unserer Technologie oder Politik. Sie liegt in etwas, das wir unterwegs verloren haben:
Unsere alltäglichen Rituale der Gemeinschaft.
Letzte Woche war ich in Japan. Und während alle Welt über Japans beeindruckende Technologie, die Hochgeschwindigkeitszüge und die Roboter redet, ist es etwas ganz anderes, das diese Gesellschaft wirklich auszeichnet: Die kleinen, scheinbar unwichtigen Dinge.
An jedem Bahnhof bilden Menschen wie selbstverständlich Schlangen, ohne dazu aufgefordert zu werden. In öffentlichen Räumen werden Gespräche in gedämpfter Lautstärke geführt, in der U-Bahn oder Bahn überhaupt nicht. Niemand blockiert die Rolltreppe. Und jeder – wirklich JEDER – sagt „Bitte“ und „Danke“ und „Entschuldigung“.
Nach zwei Wochen in Japan wurde mir klar:
Wir haben verlernt, dass Größe in der Summe der kleinen Dinge liegt.
Wir haben vergessen, dass eine Gesellschaft nur funktioniert, wenn wir uns auf gemeinsame Werte im Alltag einigen.
Wie sollen wir die großen Probleme unserer Zeit lösen – Klimawandel, soziale Ungleichheit, politische Spaltung – wenn wir nicht einmal in der Lage sind, „Bitte“ und „Danke“ zu sagen, Rücksicht zu nehmen oder anderen die Tür aufzuhalten?
Die eigentliche Frage ist nicht, wie wir die großen Herausforderungen unserer Zeit lösen. Die Frage ist, wie wir das Fundament erneuern, das Lösungen überhaupt erst möglich macht.
Es beginnt mit dem Verständnis, dass diese „kleinen“ Handlungen in Wahrheit Rituale sind – Rituale, die eine Ansammlung von Individuen in eine Gemeinschaft verwandeln.
Und vielleicht, nur vielleicht, wenn wir wieder lernen, die kleinen Dinge zu respektieren, können wir auch die großen Herausforderungen meistern.
Denn ohne diese Rituale, ohne diese kleinen Akte gemeinschaftlicher Anerkennung, werden die großen Herausforderungen nicht nur schwieriger.
Sie werden unmöglich.