Das Gefühl ist surreal: Rush Hour in Tokio, und ich stehe in einem halbleeren U-Bahn-Waggon.
Ein Luxus?
Fast.
Mich umgeben ausschließlich Frauen – lesend, plaudernd, entspannt. Keine verkrampften Körperhaltungen, keine besorgten Blicke.
Was in Tokio Alltag ist, wird nun in Berlin diskutiert: Frauenabteile als Antwort auf sexualisierte Gewalt im ÖPNV.
391 gemeldete Sexualdelikte.
Allein 2023. In Berlin.
Die Dunkelziffer? Sie kennen die Antwort.
Wenn Frauen von Belästigungen berichten, nicken wir betreten und empfehlen Pfefferspray oder Selbstverteidigungskurse. Wir bitten die Opfer, ein Problem zu lösen, das sie nicht geschaffen haben.
Frauenabteile sind nicht perfekt. Aber sie schaffen eines: Wahlmöglichkeiten. Die Wahl, sicher nach Hause zu kommen, ohne ständig über mögliche Risiken nachzudenken. Eine Wahl, die viele Frauen in Tokio längst als selbstverständlich empfinden.
Die Kritiker haben recht: Getrennte Abteile fühlen sich nach Rückschritt an, nach ‚nicht die Wurzel des Problems angehen.‘ Aber während wir debattieren, planen Frauen Umwege. Sagen ab. Machen sich „kleiner“.
Es geht nicht darum, ob Frauenabteile perfekt sind. Die Frage ist: Sind wir bereit, Frauen heute mehr Wahlmöglichkeiten zu geben, während wir an langfristigem Wandel arbeiten?
Denn manchmal ist das Fortschrittlichste, was wir tun können, anzuerkennen, dass die Welt noch nicht da ist, wo wir sie haben wollen.
Und so stehe ich hier, in meinem stillen Luxus-Abteil, wissend, dass ich gleich aussteigen muss – denn als Mann gehöre ich hier nicht hin.
Manchmal ist Fortschritt auch, wenn man freiwillig einen Schritt zur Seite macht.