In Deutschland: Sterbender Einzelhandel. In Japan: Läden als Kulturgüter.


Was sagt das über unsere Gesellschaft aus?

Während ich vor kurzem mit meinem japanischen Freund durch Tokio lief, fiel mir die dichte Präsenz der Convenience Stores wie 7-Eleven, FamilyMart oder Lawson auf – unmöglich zu übersehen.

Diese Convenience Stores sind keine Spätis – sondern 24/7-Servicezentren für Lebensmittel, Bank, Pakete, Tickets und Behördengänge.

„In Japan sind sie wie Kulturgüter“, erklärte mein Freund.

Ein Laden als Kulturgut? Erst lachte ich. Bis ich genauer hinsah.

Diese Läden sind mehr als Geschäfte.
Sie sind Dorfbrunnen. Lagerfeuer. Orte, an denen Gemeinschaft passiert, nicht nur Konsum.

Was sagt es über eine Gesellschaft aus, wenn sie den Einzelhandel als Kulturgut betrachtet – und was über eine, die ihn sterben lässt?

Wir haben in den letzten Jahrzehnten eine schleichende Veränderung unserer Einkaufskultur erlebt. Eine Veränderung, die nicht von außen kam, sondern die wir selbst vorangetrieben haben – im Namen der Effizienz, der Kostenoptimierung, der Bequemlichkeit.

Der Marktplatz, jahrhundertelang das Herz unserer Städte, ist zur touristischen Kulisse verkommen. Die kleinen Läden, in denen man nicht nur einkaufte, sondern auch am Leben der Gemeinschaft teilnahm, sind verschwunden. Die großen Kaufhäuser, einst Symbole bürgerlicher Kultur und wirtschaftlichen Aufschwungs, kämpfen verzweifelt um ihr Überleben.

Mit unseren täglichen Konsumentscheidungen haben wir die Einkaufskultur geopfert: Persönlichkeit für Preis, Begegnung für Algorithmen, Gemeinschaft für Bequemlichkeit.

Mit einem Klick bestellen? Bequem.
Ohne Gespräch einkaufen? Praktisch.
Nicht mehr durch die Stadt laufen? Zeitsparend.

Doch wofür sparen wir diese Zeit?
Für mehr Zeit vor dem Bildschirm? Für mehr Einsamkeit?
Für mehr Entfremdung?

Die Einkaufskultur ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Und was wir darin sehen, sollte uns beunruhigen: eine Gesellschaft, die den Wert der Begegnung, des Miteinanders, des sozialen Austausches vergessen hat. Eine Gesellschaft, die Effizienz über alles stellt – und dabei vergisst, dass der Mensch nicht von Effizienz allein lebt.

Einkaufen ist kein trivialer Akt.
Es ist ein sozialer, ein kultureller, ein zutiefst menschlicher Akt.

Japan hat seine Antwort auf die Frage nach der Bedeutung des Einkaufens gegeben.
Eine kluge Antwort.
Eine menschliche Antwort.

Und wir?
Wollen wir eine Welt, in der das Einkaufen nur noch ein Algorithmus ist?
Eine Welt, in der wir uns nur noch als Konsumenten, nicht mehr als Bürger, als Menschen begegnen?

Die Zukunft des Einkaufens ist nicht entschieden.
Sie liegt in unseren Händen.
In den Entscheidungen, die wir täglich treffen, wenn wir einkaufen gehen.

Oder eben nicht.

Ideen für
eine bessere
Zukunft

Michael Okada

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