Ein einziger Riss – und Berlin steht still.
Ein Riss in der Brücke. Und in unserem System.
Mehr brauchte es nicht, um einen der sensibelsten Abschnitte der Berliner Stadtautobahn lahmzulegen.
Die Ringbahnbrücke der A100 – eine Lebensader mit 230.000 täglichen Fahrten – steht still.
Plötzlich wird sichtbar, wie verletzlich unsere Infrastruktur ist.
So ein Riss ist nicht nur eine bautechnische Havarie – er ist ein Sinnbild für die Risse in unserem gesellschaftlichen Gefüge.
Japan zeigt, dass es auch anders geht. Ein Land, das regelmäßig mit Erdbeben, Tsunamis und Taifunen konfrontiert ist, hat gelernt, vorausschauend zu handeln.
Dort gibt es ein „Extreme Disaster Management Headquarters“, das binnen 30 Minuten einsatzbereit ist. Der Regierungschef übernimmt die Führung. Keine Kompetenzstreitigkeiten, keine Zuständigkeitsdebatten. Die Krise kennt nur eine Zuständigkeit: die des entschlossenen Handelns.
Und bei uns? Während in Berlin noch zwischen Autobahn GmbH, Bezirk und Senat diskutiert wird, stehen tausende Pendler im Stau.
Umleitungskonzepte werden „unter Hochdruck erarbeitet“, als hätte niemand ahnen können, dass eine sechzig Jahre alte Brücke irgendwann Ermüdungserscheinungen zeigt.
Und währenddessen überbieten sich politische Parteien in Schuldzuweisungen – als sei der politische Punktgewinn wichtiger als eine funktionierende Infrastruktur.
Der Kontrast könnte kaum größer sein: Wir verwalten das Provisorische, statt es zu überwinden. Unsere Infrastruktur zerfällt – nicht wegen Naturkatastrophen, sondern wegen politischer Lähmung.
Die Sperrung dieses Autobahnabschnitts ist mehr als ein Verkehrsproblem.
Sie stellt die Frage, wie wir als Gemeinwesen mit Krisen umgehen wollen. Vorausschauend oder reaktiv?
Mit Weitsicht oder im Klein-Klein des administrativen Alltags?
Keine komplizierten Theorien, sondern praktische Prinzipien machen Japans Krisenmanagement wirkungsvoll: Führung. Koordination. Entschlossenheit.
Nicht umsonst gilt Japan trotz seiner geografischen Verwundbarkeit als eines der resilientesten Länder der Welt.
Es wäre vermessen, das japanische Modell einfach zu kopieren.
Aber ist es nicht ebenso vermessen zu glauben, wir könnten ohne grundlegende Reformen unserer Krisenreaktionsmechanismen auskommen?
Diese Infrastrukturkrise zwingt uns nicht nur zu reparieren, sondern zu überdenken – wie wir bauen und wie wir uns bewegen.
Während Behörden noch Umleitungskonzepte skizzieren, könnten wir längst beginnen, grundsätzlich umzudenken.
230.000 tägliche Fahrten sind keine feste Größe – sondern auch eine Einladung, urbane Mobilität neu zu denken.
Die spannendste Frage ist nicht, wann die Brücke wieder befahrbar sein wird. Sondern: Welche Stadt wollen wir sein, wenn sie es ist?